• 8.11.2023 Justiz-Schutz für Gewerkschaften

     

    Klagen über SLAPP-Klagen

     

    von Hermann Lei, Kantonsrat, Frauenfeld

     

    Die EU schützt mutige Journalisten, die von Einschüchterungsprozessen bedroht werden. Warum das für uns mutige Schweizerzeit-Journalisten nicht gilt.

     

    Schweizerzeit-Redaktor ohne Schlaf

    Der Schweizerzeit-Redaktor hat einen massiven Steuergeldmissbrauch bei einer parastaatlichen Organisation aufgedeckt. Sofort wird er deshalb von deren Führung mit Klagen eingedeckt. Superprovisorische Massnahmen, Schadenersatzklagen, diverse Strafanzeigen, Beschwerden bei Berufsorganisationen sowie Drohungen wechseln sich in den nächsten Monaten ab mit Berichten in den staatsnahen Medien, wonach die Schweizerzeit in massiven Problemen stecke. Die Angriffe sind aggressiv, unverhältnismässig und substanzarm, aber bei den hiesigen Gerichten weiss man nie und so findet der arme Redaktor keinen Schlaf mehr und die Rechnungen der Anwälte sprengen bald jedes Budget.

     

    Arbeit ohne Angst

    Ähnliches ist der Schweizerzeit tatsächlich bereits passiert – wäre es da nicht schön, wäre man irgendwie geschützt? Genau das hat die EU gemerkt. Der Schutz von Journalisten sei von entscheidender Bedeutung, um die Meinungsfreiheit, den Medienpluralismus und die Demokratie zu fördern. Journalisten spielten eine wichtige Rolle bei der öffentlichen Debatte und der Vermittlung von Informationen, Meinungen und Ideen. Sie müssten in der Lage sein, ihre Arbeit frei und ohne Angst vor Einschüchterung oder Belästigung auszuüben, tönt es wohlklingend.

     

    SLAPP-Klagen

    SLAPP-Klagen (strategic lawsuits against public participation, in etwa: rechtsmissbräuchliche Klagen, um Kritiker einzuschüchtern) dienen dazu, Kritiker zu entmutigen und zum Schweigen zu bringen, indem sie ihnen hohe Kosten für die Verteidigung auferlegen. Die EU hat daher eine Richtlinie erarbeitet, um offenkundig unbegründete oder missbräuchliche Gerichtsverfahren in Zivilsachen mit grenzüberschreitendem Bezug zu bekämpfen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis auch die Schweiz nachzieht. Nur wird leider die Schweizerzeit davon nicht profitieren. Denn die Richtlinie protegiert nur Personen, die «Angelegenheiten von öffentlichem Interesse» schützen. Von öffentlichem Interesse sind gemäss Richtlinie aber vor allem «Menschenrechte, soziale Inklusion, Geschlechtergleichstellung, Rechte von LGBTIQ+- Personen und Umweltschutz». Nicht gerade die Themen von uns.

     

    Zivilgesellschaft, Gewerkschaften, Künstler

    Erklärtes Ziel der EU ist es, solche Klagen mittels Spezialvorschriften möglichst rasch und ohne echtes Gerichtsverfahren abzuschmettern.  Zudem stehen unter dem neuen Sonderschutz nebst Journalisten auch «Organisationen der Zivilgesellschaft, nichtstaatliche Organisationen, Gewerkschaften, Künstler, Forscher und Wissenschaftler». Sie alle erhalten Beratung, Gratisanwälte und einen weiteren Strauss an staatlicher Unterstützung. Wer es inskünftig also wagt, einen unter Artenschutz stehenden Linken vor Gericht zu ziehen wird es schwer haben.

     

    Disziplinarstrafen gegen Rechtsanwälte

    Zudem kann das Gericht «nicht nur dem Beklagten die Kosten oder die Entschädigung zusprechen, sondern auch eine vom Kläger an den Staat zu zahlende Strafe verhängen, wenn klar ist, dass das von ihm eingeleitete Verfahren schikanös, unseriös oder böswillig war.» Also Abschreckungsstrafen in einem Zivilprozess und ohne faires Verfahren. Die Richtlinie verlangt sodann die Einrichtung einer Art von Pranger für die «böse» Partei. Ganz krass: gemäss Richtlinie müssen Disziplinarstrafen gegen Rechtsanwälte verhängt werden, um auch diese «von der Einleitung missbräuchlicher Klagen gegen öffentliche Beteiligung abzuschrecken».

     

    Wer also gegen eine Gewerkschaft oder gegen Klimakleber vorgehen will wird inskünftig nicht einmal mehr einen Anwalt finden.

     

    Hermann Lei

     

     

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