• 5.10.23 Die Schweiz als Auftrag

    5.10.23 Die Schweiz als Auftrag

    Christoph Blocher in Weinfelden zur BV

    Artikel Schweizerzeit Hermann Lei

    von Hermann Lei, Kantonsrat, Frauenfeld

     

    Dies ist eine freie Zusammenfassung der Jubiläumsrede von Christoph Blocher zum 175. Jahrestag der Schweizerischen Bundesverfassung. Mit besonderer Betonung auf meinen Heimatkanton Thurgau.

     

    Nach dem Sturz von Napoleon war die Schweiz mit dem Bundesvertrag von 1815 ein lockerer Staatenbund der 22 unabhängigen Kantone. Der aus Weinfelden stammende Pfarrer Thomas Bornhauser löste aber bereits 1830 eine liberale Volksbewegung aus. Bornhauser forderte die Öffentlichkeit der Staatsgeschäfte, Gewaltentrennung, direkte Wahlen und die Handels- und Gewerbefreiheit. Am 22. Oktober und am 18. November 1830 fanden grosse Volksversammlungen in Weinfelden statt – noch bevor sich auch in den Kantonen Zürich und Bern die Freiheitsbewegung durchsetzte.

     

    Sonderbundskrieg

    Liberale Kantone drängten auf einen Staat mit grösserer Bundeskompetenz. Die katholisch-konservativen Kantone der Zentralschweiz sowie Freiburg und das Wallis verweigerten sich indes dem Bundesstaat. Es kam zu revolutionären, gewaltsamen Auseinandersetzungen, zum Sonderbundskrieg. Zwei Tagen nach dessen Ende traf sich erstmals die wichtigste Kommission, die jemals in der Schweiz zusammengetreten ist. In 51 Tagen schuf diese Kommission eine Schweizerische Bundesverfassung, die in ihren Grundzügen noch immer besteht. Federführend war die liberal-radikale Grossfamilie, aus der dann später auch die SVP hervorging.

     

    Grösste politische Leistung der neueren Schweizergeschichte

    Bei der neuen Bundesverfassung war der Thurgauer Jurist Johann Konrad Kern einer der bedeutendsten Baumeister. Bei den siebenwöchigen Beratungen war er Koordinator der täglichen Arbeit, verantwortlich für die Textgestaltung und immer wieder um Ausgleich der Gegensätze bemüht. Es handelt sich bei der Bundesverfassung von 1848 zweifellos um die grösste politische Leistung der neueren Schweizergeschichte. Und Kern war ihr Gestalter. Kern wurde später Nationalratspräsident, Thurgauer Regierungspräsident, Präsident des Grossen Rates und Bundesgerichtspräsident!

     

    Bekräftigung des alten Bundes von 1291

    Die Verfassung von 1848 bedeutete einen einzigartigen Akt der Unabhängigkeit. Sie war die Bekräftigung des alten Bundes von 1291.  Die Schweiz hatte genug von den ewigen Einmischungen des Auslandes in ihre inneren Angelegenheiten. In der neuen Bundesverfassung wurde die Rechtsgleichheit aller Bürger garantiert, wurden Wirtschaftsraum, Masse, Gewichte und Postwesen vereinheitlicht. Die Landesverteidigung sollte ein «Bundesheer» mit Milizcharakter gewährleisten. So entstand am 12. September 1848 die einzige stabile Demokratie auf dem europäischen Festland. Niemand hätte der damals als unzureichend beurteilten, aus der Not der Zeit geborenen Bundesverfassung ein 175-jähriges Überdauern vorausgesagt.

     

    Fünf wichtige Jahreszahlen

    Es gibt fünf wichtige Jahreszahlen: Zuerst das Jahr 1291, die Gründung der Eidgenossenschaft. Das zweite wichtige Datum ist das Jahr 1848 als Gründungsjahr des Bundesstaates. Drittens 1874, als insbesondere die direkte Demokratie eingeführt wurde. Dann kommt das Jahr 1992, als in der Schweiz das Volk und die Stände die Kraft hatten, Nein zu sagen zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR). Und schliesslich müssen wir uns das fünfte Datum als Meilenstein merken: Am 26. Mai 2021 hatte der Bundesrat die Kraft und den Mut, zu einem ähnlichen Kolonialvertrag Nein zu sagen. Nämlich zur Institutionellen Anbindung an die EU.

     

    Hermann Lei

     

     

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