• 24.11.2020 Leichen im Keller der Hildebrand-Affäre

    Leichen im Keller der Hildebrand-Affäre – Schweizerzeit Philipp Hildebrand

     

    Von BlackRock zur OECD?

    Der Bundesrat schlägt als Chef einer internationalen Organisation einen Mann vor, der mit seinen Handlungen im Amt privat Gewinne gemacht hat. Wieso das nicht gutgehen wird.

    Rabenschwarze Nachrichten in der Tagesschau des Schweizer Fernsehens vom 7. August 2011: Es droht ein Börsencrash, eine weltweite Schuldenkrise schüttelt die Industrieländer durch. Die Nationalbanken versuchen Tag und Nacht, den tödlichen Crash abzuwenden. Den Präsidenten unserer Nationalbank, Philipp Hildebrand, kümmert das offenbar weniger.

    Erste Leiche: Nicht seine Ex-Frau

    Er ruft am 15. August 2011 seinen Bankberater an. Denn «um von den momentan tiefen Kursen zu profitieren» will Hildebrand Spekulationskäufe in Aktien tätigen. Und er möchte seine «US-Dollar-Risikoposition erhöhen», seine Frau soll entscheiden, ob man es mache. Wohlgemerkt: Hildebrand will Dollars kaufen, mit seinem Geld, auf seinem Konto. Er will von der Situation profitieren.

    Am gleichen Tag verkaufen die Hildebrands daher auf dem Privatkonto des Nationalbankpräsidenten Fr. 400’000.- und kaufen 504’000.- Dollar. Zwei Tage später gibt die Nationalbank bekannt, den Markt mit Liquidität zu überschwemmen. Der Dollarpreis steigt sofort und als Hildebrand am 6. September im Fernsehen erklärt, die Nationalbank werde den «Mindestkurs mit aller Konsequenz durchsetzen», schiesst nicht nur der Euro-, sondern auch der Dollarkurs nochmals in die Höhe. Hildebrand ist Fr. 75’000.– reicher.

    Als diese Transaktion bekannt wird, schiebt Hildebrand alles auf seine Frau. Doch irgendwann tauchen die Dokumente auf, die belegen, dass er es war, der von der Krise privat profitieren wollte. Der gesamte Bankrat droht nun offenbar mit dem kollektiven Rücktritt, falls Hildebrand nicht den Hut nimmt. Hildebrand muss gehen.

    Doch irgendwie hat Hildebrand es geschafft, dass dennoch bis heute die meisten Medien schreiben, Hildebrand habe von allem nichts gewusst. Und Hildebrand hat aus der Affäre offenbar auch nichts gelernt: Nach wie vor hat er keine Probleme damit, die Schuld allein seiner Ex-Frau in die Schuhe zu schieben. So äusserte sich Hildebrand jedenfalls noch 2017 im Tages-Anzeiger:

    Die erste Leiche im Affäre-Hildebrand-Keller heisst also: «Es war NICHT seine Ex-Frau, es war er.»

    Zweite Leiche: Das gefälschte Reglement

    Bevor Hildebrand deswegen zurücktrat, betonte die Nationalbank gegenüber der Öffentlichkeit, das Verhalten des ehemaligen Präsidenten der SNB sei grundsätzlich nicht zu beanstanden, da es nicht gegen das interne Reglement verstossen habe. Dieses Dokument stellt somit ein entscheidendes Element bei der Diskussion um die Hildebrand-Affäre dar.

    Doch trotz der Wichtigkeit des Reglements erklärte sich die SNB erst auf massiven Druck hin bereit, es zu veröffentlichen. Dem Direktor des Bundesamtes für Justiz, der Hildebrands Transaktionen auf Reglementskonformität untersuchen sollte, war merkwürdigerweise sogar verboten worden, sich das Reglement zu beschaffen, was aber erst viel später publik wurde:

    Ich vermute, dass das Reglement Hildebrand belastet hätte, dass seine Spekulation also nicht nur moralisch ein Rücktrittsgrund war, sondern auch verboten. Das Reglement wurde – so mein Verdacht – deshalb von unbekannter Hand über Nacht angepasst. Betrachtet man das später auf Druck des Parlaments veröffentlichte Reglement nämlich genauer, kommt man nicht umhin, einige Merkwürdigkeiten festzustellen: Zum Beispiel erschienen ausgerechnet die Passagen, welche Hildebrand entlasten sollen, in einer anderen Schriftgrösse:

    Und merkwürdigerweise wurde das Reglement, das angeblich seit 2010 unverändert vorlag, in den turbulenten Tagen anfangs 2012 frisch abgespeichert, wie wenn es kurz zuvor verändert worden wäre. Aufgrund dieser – und noch einer Reihe weiterer – Unstimmigkeiten ist meines Erachtens praktisch erwiesen, dass das zentrale Dokument in der Affäre Hildebrand, das Reglement, zwar nicht von Hildebrand aber von jemandem, der die Möglichkeit dazu hatte, manipuliert wurde.

    Die zweite Leiche im Affäre-Hildebrand-Keller heisst daher: «Hat jemand noch schnell das Reglement gefälscht?»

    Dritte Leiche: Die getürkte Untersuchung

    Anfangs Januar 2012 führte der Bundesrat zwei Prüfungen zu den Handlungen Hildebrands durch. Doch der Auftrag der Prüfer bestand erstaunlicherweise nicht darin, zu prüfen, ob Hildebrands Transaktionen reglementskonform waren. Und die Prüfer «übersahen» auch, dass das Reglement in Art. 2 Abs 2 sagt, dass auch Umgehungsgeschäfte – wie das Vorschieben der Ehefrau – verboten sind.

    Bankratspräsident Raggenbass ordnete seinerseits eine Prüfung der Banktransaktionen des Präsidenten der SNB durch die Revisionsgesellschaft PWC an. Jetzt drohte echte Gefahr, denn diese Leute würden nicht über ein Reglement schreiben, das sie nie gesehen hatten. Und wie durch ein Wunder tauchte über Nacht das bislang unter Verschluss gehaltene und wahrscheinlich manipulierte Reglement auf (siehe Leiche Nr. 2). Die PWC gab deshalb nach ein paar Tagen Entwarnung: Die Vorgaben des Reglements seien eingehalten worden.

    Ein weiteres Problem: Die PWC stützte sich in ihrem Bericht auf eine «Vollständigkeitserklärung» von Philipp Hildebrand ab. Die Vollständigkeit der überreichten Bankdokumente und Bankenkorrespondenz bestätigte Hildebrand indes nicht und heute wissen wir: Sie waren nicht vollständig. Es fehlte die Notiz von Hildebrands Bankberater, in der zu lesen war, dass Hildebrand spekulieren wollte.

    Nun musste die KPMG, eine andere Revisionsgesellschaft, ran. Denn mittlerweile war auch dem letzten klar geworden, dass noch niemand die Vorgänge wirklich geprüft hatte. Die Untersuchung führte diesmal ein gewisser Daniel Senn.

    Und jetzt wird es wirklich kurios, denn Senn prüfte erstens die umstrittenen Finanzgeschäfte von Hildebrand nicht. Und zweitens die Geschäftskonti von Kashya Hildebrand auch nicht…:

    Als das sogar der notorisch Hildebrand-freundlichen NZZ spanisch vorkam, musste auch Senn nachbessern. Und tat folgendes bei Hildebrands Frau: Alle Devisentransaktionen unter 20’000 Franken plus alle übrigen Finanztransaktionen unter 100’000 Franken prüfte er – nicht. Er prüfte also gewissermassen nur mit aufgesetzter Milchglasbrille – und fand erwartungsgemäss nichts:

    Also wurden möglicherweise verdächtige Transaktionen gar nicht geprüft. Doch wieso ums Himmels willen prüfte Senn das nicht? Liegt es daran, dass Senn im Herbst 2011 ein Konto bei der Bank Sarasin hatte, wie Hildebrand? Und dass er von einem möglichen Kurssprung wusste, wie Hildebrand? Oder dass er einen hübschen Gewinn einfuhr, wenn auch weniger als Hildebrand? Dass er seine Frau ins Spiel brachte, wie Hildebrand, resp. sich nicht mehr so genau an die Details erinnern konnte, wie Hildebrand?

    Jahre später verliert Senn jedenfalls seine Lizenz und wird wegen seines Spekulationsgewinns von Fr. 29’000.– verurteilt:

    Die dritte Leiche im Affäre-Hildebrand-Keller heisst daher: «Gab es noch andere, viel gravierendere Spekulationen in der Familie Hildebrand?»

    Bananenrepublik?

    Für die Schweiz soll also mit dem Vize der BlackRock-«Krake» ein Mann ins OECD-Rennen steigen, der mit seinen Handlungen im Amt privat Gewinne gemacht hat. Das scheint mir von vornherein nicht besonders klug zu sein.

    Und wenn nur eine der Leichen im Keller der Hildebrand-Affäre publik wird, dann heisst es wieder: Was ist die Schweiz nur für eine Bananenrepublik?

2Comments

Leave a reply

Cancel reply