• 2.5.20 Die Fifa-Mafia und der fünfte Mann

    Die Bundesanwaltschaft – ein Drama ohne Ende  

    von Hermann Lei, Kantonsrat, Frauenfeld

     

    Die Geschichte um Schmiergelder im Dunstkreis der Fifa-Mafia ist ein Debakel für die Schweiz. Der unendliche Justizskandal fügt der Schweizer Justiz grossen Schaden zu.

     

    Die Bundesanwaltschaft gibt es erst seit 1994. Die Behörde verfolgt Straftaten, die gegen das Staatsgebilde oder das  nationale Interesse gerichtet sind. Böse Zungen behaupteten stets, die Kantone hätten von Anfang an nur ihre unfähigsten Staatsanwälte zu dieser Behörde wegbefördert. Auch an den jeweiligen Chefs hatte die Schweiz nicht nur Freude. Nach  «Bulldozer» Carla Del Ponte amtierte Blocherfeind Valentin Roschacher, der im Geldwäscherei-Verfahren gegen Oskar Holenweger rechtswidrig mit einem zwielichtigen Ex-Drogenboss zusammenarbeitete.

     

    Schlau, schwul und schwungvoll

    Nach diesem Fiasko trat Roschacher zurück und übt sich seither in der Malerei. Nachfolger Erwin Beyeler wurden ebenfalls Fehler in der Holenweger-Affäre vorgeworfen und als sein Ermittler sich wegen der Sache selbst ein bizarres Drohfax geschickt hatte, wurde Roschachers Nachfolger nach nur vier Jahren nicht wiedergewählt. Der nächste Skandal war der Versuch, Blocher aus dem Amt putschen. Gemäss Blocher war die Bundesanwaltschaft auch daran beteiligt. Nach dieser fast endlosen Serie von Pleiten Pech und Pannen sollte mit dem smarten Michael Lauber endlich mal ein «normaler» Bundesanwalt gewählt werden. Mike, wie er sich auch nennt, war denn auch das Gegenteil mancher seiner Vorgänger: schlau, schwul und schwungvoll. Auf linker Seite machte sein unkonventionelles Privatleben Eindruck. Bei den Liechtensteinischen Banken, in deren Umfeld er sich vorher bewegt hatte, hatte er zudem wohl auch einiges gelernt.

     

    Fifa-Paten werden verhaftet  

    Seine Stunde schlägt, als die US-Justiz am frühen Morgen im Frühling 2015 im Hotel Baur au Lac sechs ranghohe Fifa-Funktionäre verhaften lässt. Die New York Times ist dabei und filmt mit. Robert Louis-Dreyfus, als Ehegatte der Vorgänger des geschassten Nationalbankpräsidenten Hildebrand, habe, so schrieb der Spiegel, die Vergabe der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 nach Deutschland «mutmaßlich gekauft». «Fifa-Mafia» nennen einige das skrupellose weltweite mafiöse Netzwerk, das sich rund um den Weltfussball etabliert hat. Und die Schweiz steckt mittendrin, Lauber tritt ein paar Monate später mit US-Justizministerin Loretta Lynch in Zürich vor die Presse: Es stünden 121 Bankkonten im Visier der Schweizer Ermittlungen, dazu Liegenschaften in den Alpen, die der Geldwäscherei gedient haben könnten. Doch Lauber macht alles falsch: Er trifft sich ausgerechnet mit dem Fifa-Präsidenten Gianni Infantino, dreimal, informell. Zwei Mal in einem Luxushotel, das den Kataris gehört, welche 2022 die nächste Fussball-WM austragen werden, Tür an Tür mit der Botschaft der Scheichs. Infantino lässt sich zu diesem Treffen in einem Privatjet des Emirs von Katar einfliegen. Pikant: Auch Katar steht im Verdacht, die Fifa geschmiert zu haben. Worum es bei den Gesprächen mit Verfahrensbeteiligten ging ist nicht zu erfahren, denn die Meetings wurden rechtswidrig nicht protokolliert. Dafür dürften die beschuldigten Kataris heimlich mitgehört haben.

     

    Belohnung fürs Nicht-kriminell-werden

    Das dritte Treffen ist noch mysteriöser: keiner der vier Teilnehmer mag sich daran erinnern. Oder waren es fünf Teilnehmer? Im Schweizerhof jedenfalls wurden fünf «Snacks» gereicht. Das Uefa- Verfahren wird kurz darauf eingestellt, so ein Zufall! Als die unglaublichen Vorfälle bekannt werden, tritt die Aufsichtsbehörde auf den Plan. Trotz laufender Untersuchung wird Lauber nochmals gewählt. Mit seinem Kommunikationstalent hat er es geschafft, eine knappe Mehrheit im Parlament hinter sich zu scharen.  Aber der Bericht der Aufsichtsbehörde, der etwas später auf dem Tisch liegt, ist verheerend: Bundesanwalt Lauber falle durch Uneinsichtigkeit auf und zeige im Kern ein falsches Berufsverständnis. Die Summe seiner Pflichtverletzungen sei erheblich. Lauber wird für ein Jahr der Lohn um 8% gekürzt, was bei einem Jahreslohn um Fr. 300’000.-verkraftbar scheint. Dass es nicht mehr wurde, hat er dem Umstand zu verdanken, dass er sich nicht auch noch habe schmieren lassen. Dass ein Top-Beamter dafür belohnt wird, dass er nicht auch noch kriminell wurde, ist eine bittere Pointe. Die Bundesanwaltschaft jedenfalls hat durch diese Querelen viel Zeit verloren. Der «Sommermärchen»-Prozess, der seit Herbst 2015 die Fussballwelt beschäftigt, hätte am unbedingt am vor Ende April 2020 am Bundesstrafgericht in Bellinzona stattfinden sollen.

     

    Sommermärchen verjährt

    Denn der für die Schweiz extrem teure und wichtige Fall würde Ende April verjähren – was dank Corona und dem auch nicht besonders schnellen Bundesstrafgericht der Fall war. Aber auch ohne Virus wäre es für die Anwälte aufgrund der schlampigen Arbeit der Bundesanwaltschaft ein Leichtes gewesen, ihre Beschuldigten in die Verjährung zu retten. Heisst: Das kriminelle Sommermärchen wird nie aufgeklärt werden. Die Beschuldigten gelten als freigesprochen und der Steuerzahler zahlt ihnen die sündhaft hohen Anwaltskosten und wohl auch Genugtuung. — Sind wenigstens die weiteren noch  über 20 hängigen Fifa-Verfahren zu retten? Vermutlich auch nicht. Denn hier kommt wieder der ominöse fünfte Mann beim dritten Treffen im Berner Nobelrestaurant der Scheichs ins Spiel. Ist er der Grund, warum sich niemand mehr an dieses dritte Treffen im Hinterzimmer neben der Botschaft der auch unter Schmiergeldverdacht stehenden Kataris erinnern will? Wer hat den fünften Snack gegessen? Gar ein an den vielen Fussball-Strafverfahren beteiligtes Mitglied der Bundesanwaltschaft?

     

    Der Ballon platzt

    Wäre die Bundesanwaltschaft tatsächlich so einfältig gewesen, ihren Fifa-Ermittler zum ominösen Fifa-Plausch ins wohl verwanzte Katari-Restaurant mitzunehmen, so würden auch die weiteren etwa 20 noch hängigen Fifa-Verfahren platzen wie ein Ballon. Die Ermittlungen wären wegen Befangenheit ruiniert, erhobene Beweise unrettbar kontaminiert und nicht mehr verwertbar. Wegen Kungelei mit der Privatklägerin Fifa im Restaurant der unter Verdacht stehenden Kataris. Auch im Verfahren wegen Korruption um den brasilianischen Rohstoffkonzern Petrobras führte Lauber Gespräche, die nicht in den Akten aufgeführt sind, möglicherweise auch in dem Verfahren bez. des malaysischen Staatsfonds 1MDB. Und als wäre das alles nicht genug, so hat sich Lauber nun einen Anwalt genommen; ausgerechnet den Anwalt des angeschuldigten Fifa-Funktionärs Blatter und der zu untersuchenden Petrobas…

     

    Zu Redaktionsschluss war der vierte Bundesanwalt der Geschichte Lauber immer noch im Amt, aber lange wird er sich nicht mehr halten können. Zum Schaden der Schweiz, welche einmal mehr gezeigt hätte, dass sie manchmal nicht viel von einer Bananenrepublik unterscheidet, wie deutsche und französische Medien hämisch schreiben.

     

    Hermann Lei

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