• 11.11.22 «Symbol des Widerstands»

    11.11.22 «Symbol des Widerstands»

    Walliserkanne vor einem Jahr

    221111 SZ Lei Walliserkanne

    von Hermann Lei, Kantonsrat, Frauenfeld

    Vor einem Jahr verhafteten die Behörden eine bekannte Familie, weil sie «Opposition» gegen die Politik der Regierung machte. Nicht in China oder Russland, in Zermatt.

    Oktober 2021. Die Schweiz ist im Banne der Coronamassnahmen. Ausgerechnet im mondänen Zermatt entsteht ein – so wird es später die Staatsanwaltschaft bezeichnen – «Pilgerort der Covid-19-Massnahmenkritiker». Wochenlang haben die Behörden die angesehene Wirtsfamilie Aufdenblatten vergeblich zu zwingen versucht, sich an die Zertifikatspflicht zu halten. Denn die Betreiber der «Walliserkanne», ein traditioneller Restaurantkomplex an bester Lage im Luxusferienort, weigern sich, Ungeimpfte nicht zu bewirten. In einer Nacht- und Nebelaktion karren die Behörden irgendwann riesige Betonklötze vor den Haupteingang. Schlagartig wird die zubetonierte Walliserkanne berühmt, auf und vor den Betonblöcken finden «Freiheitspartys» statt.

    «Kinder ins Heim!»
    Die Behörden sind überfordert. Am 31.10.21, einem trüben Sonntagmorgen, schicken sie deshalb eine Zweidutzendschaft Polizisten, sekundiert von Kastenwagen durch die leere Zermatter Hauptstrasse zur Walliserkanne. Die Beiz wird umstellt, Polizisten dringen ein und gelangen bis in die Privatwohnung von Ivan Aufdenblatten, welche sich oberhalb des Restaurants befindet. Denn sie haben bemerkt, dass Ivans Frau den übertriebenen Einsatz filmt. Man schlägt ihr das Mobiltelefon aus der Hand mit der Androhung, sie ebenfalls zu verhaften. Als sie sagt, sie hätte zwei Kleinkinder im Hause antwortet der Beamte, diese könne man der KESB übergeben und ins Heim bringen. Vor Schock fällt die Mutter in Ohnmacht.

    Brutale Aktion
    Ähnlich ergeht es Nelly, der zierlichen sechsfachen Grossmutter. Ihr wird vorgeworfen, sie sei trotz Siegelung im Restaurant ein- und ausgegangen. Anders als durch das Restaurant kann sie die Enkelkinder allerdings gar nicht an die frische Luft bringen. Dennoch wird sie in U-Haft gesteckt; wie lange, das weiss sie nicht. Ihr Mann Andreas und Sohn Ivan werden bei der Verhaftungsaktion brutal angegangen. Ivan wird die Schulter ausgerenkt und trotz Schmerzensschreien stundenlang jede ärztliche Hilfe verweigert. Erst nach der Einvernahme darf er ins Spital. Noch heute, über ein Jahr später, ist er deswegen gesundheitlich angeschlagen. Ob er sich jemals wieder erholen wird, ist höchst ungewiss.

    Haft wegen «Symbol des Widerstands» gegen Politik?
    Die Anwälte der drei verhafteten Personen (darunter Ihr Kolumnist) legen umgehend Beschwerde gegen die unverhältnismässige Verhaftungsaktion ein. Denn die Verhafteten sind nicht verantwortlich für die Vorgänge in der Walliserkanne. Und selbst wenn doch: Ihnen werden Delikte vorgeworfen, für die ansonsten kein Mensch in Untersuchungshaft muss. Die Walliser Strafverfolgungsorgane hingegen bleiben uneinsichtig. Es gehe den Verhafteten – so werden sie später schreiben – darum, «medienwirksam ihre Opposition (…) zu inszenieren». So seien sie zum «Symbol des Widerstandes gegen die Corona-Politik des Bundesrates und zum Pilgerort der Covid-19-Massnahmengegner» geworden.

    Oppositionelle Bürger brechen
    Der Richter, der die Verhaftung überprüfen muss, weiss natürlich, dass es nur in Diktaturen üblich ist, mittels Verhaftung und U-Haft oppositionelle Bürger zu brechen und «Symbole des Widerstands» auszuschalten. Er erkennt: jeder Tag, an dem die «Oppositionelle» in Haft sitzen, ist einer zuviel. Und so ordnet er die unverzügliche Freilassung der Aufdenblattens an. Nach vier ungewissen Tagen können die drei ihren Kerker verlassen.

    Rechtsstaatlich unhaltbar
    Wie auch immer man zu den damaligen Covid-Massnahmen steht (ich hielt und halte sie für rechtsstaatlich unhaltbar): es muss uns in einem Rechtsstaat extrem zu denken geben, wenn der Verstoss gegen Regeln, welche kaum über der Stufe von Parkbussen stehen, mit brutalen Verhaftungsaktionen und Untersuchungshaft geahndet wird – weil man damit einen «Oppositionskurs» brechen will.
    Hermann Lei

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