• 24.11.2020 Leichen im Keller der Hildebrand-Affäre

    Leichen im Keller der Hildebrand-Affäre – Schweizerzeit Philipp Hildebrand

     

    Von BlackRock zur OECD?

    Der Bundesrat schlägt als Chef einer internationalen Organisation einen Mann vor, der mit seinen Handlungen im Amt privat Gewinne gemacht hat. Wieso das nicht gutgehen wird.

    Rabenschwarze Nachrichten in der Tagesschau des Schweizer Fernsehens vom 7. August 2011: Es droht ein Börsencrash, eine weltweite Schuldenkrise schüttelt die Industrieländer durch. Die Nationalbanken versuchen Tag und Nacht, den tödlichen Crash abzuwenden. Den Präsidenten unserer Nationalbank, Philipp Hildebrand, kümmert das offenbar weniger.

    Erste Leiche: Nicht seine Ex-Frau

    Er ruft am 15. August 2011 seinen Bankberater an. Denn «um von den momentan tiefen Kursen zu profitieren» will Hildebrand Spekulationskäufe in Aktien tätigen. Und er möchte seine «US-Dollar-Risikoposition erhöhen», seine Frau soll entscheiden, ob man es mache. Wohlgemerkt: Hildebrand will Dollars kaufen, mit seinem Geld, auf seinem Konto. Er will von der Situation profitieren.

    Am gleichen Tag verkaufen die Hildebrands daher auf dem Privatkonto des Nationalbankpräsidenten Fr. 400’000.- und kaufen 504’000.- Dollar. Zwei Tage später gibt die Nationalbank bekannt, den Markt mit Liquidität zu überschwemmen. Der Dollarpreis steigt sofort und als Hildebrand am 6. September im Fernsehen erklärt, die Nationalbank werde den «Mindestkurs mit aller Konsequenz durchsetzen», schiesst nicht nur der Euro-, sondern auch der Dollarkurs nochmals in die Höhe. Hildebrand ist Fr. 75’000.– reicher.

    Als diese Transaktion bekannt wird, schiebt Hildebrand alles auf seine Frau. Doch irgendwann tauchen die Dokumente auf, die belegen, dass er es war, der von der Krise privat profitieren wollte. Der gesamte Bankrat droht nun offenbar mit dem kollektiven Rücktritt, falls Hildebrand nicht den Hut nimmt. Hildebrand muss gehen.

    Doch irgendwie hat Hildebrand es geschafft, dass dennoch bis heute die meisten Medien schreiben, Hildebrand habe von allem nichts gewusst. Und Hildebrand hat aus der Affäre offenbar auch nichts gelernt: Nach wie vor hat er keine Probleme damit, die Schuld allein seiner Ex-Frau in die Schuhe zu schieben. So äusserte sich Hildebrand jedenfalls noch 2017 im Tages-Anzeiger:

    Die erste Leiche im Affäre-Hildebrand-Keller heisst also: «Es war NICHT seine Ex-Frau, es war er.»

    Zweite Leiche: Das gefälschte Reglement

    Bevor Hildebrand deswegen zurücktrat, betonte die Nationalbank gegenüber der Öffentlichkeit, das Verhalten des ehemaligen Präsidenten der SNB sei grundsätzlich nicht zu beanstanden, da es nicht gegen das interne Reglement verstossen habe. Dieses Dokument stellt somit ein entscheidendes Element bei der Diskussion um die Hildebrand-Affäre dar.

    Doch trotz der Wichtigkeit des Reglements erklärte sich die SNB erst auf massiven Druck hin bereit, es zu veröffentlichen. Dem Direktor des Bundesamtes für Justiz, der Hildebrands Transaktionen auf Reglementskonformität untersuchen sollte, war merkwürdigerweise sogar verboten worden, sich das Reglement zu beschaffen, was aber erst viel später publik wurde:

    Ich vermute, dass das Reglement Hildebrand belastet hätte, dass seine Spekulation also nicht nur moralisch ein Rücktrittsgrund war, sondern auch verboten. Das Reglement wurde – so mein Verdacht – deshalb von unbekannter Hand über Nacht angepasst. Betrachtet man das später auf Druck des Parlaments veröffentlichte Reglement nämlich genauer, kommt man nicht umhin, einige Merkwürdigkeiten festzustellen: Zum Beispiel erschienen ausgerechnet die Passagen, welche Hildebrand entlasten sollen, in einer anderen Schriftgrösse:

    Und merkwürdigerweise wurde das Reglement, das angeblich seit 2010 unverändert vorlag, in den turbulenten Tagen anfangs 2012 frisch abgespeichert, wie wenn es kurz zuvor verändert worden wäre. Aufgrund dieser – und noch einer Reihe weiterer – Unstimmigkeiten ist meines Erachtens praktisch erwiesen, dass das zentrale Dokument in der Affäre Hildebrand, das Reglement, zwar nicht von Hildebrand aber von jemandem, der die Möglichkeit dazu hatte, manipuliert wurde.

    Die zweite Leiche im Affäre-Hildebrand-Keller heisst daher: «Hat jemand noch schnell das Reglement gefälscht?»

    Dritte Leiche: Die getürkte Untersuchung

    Anfangs Januar 2012 führte der Bundesrat zwei Prüfungen zu den Handlungen Hildebrands durch. Doch der Auftrag der Prüfer bestand erstaunlicherweise nicht darin, zu prüfen, ob Hildebrands Transaktionen reglementskonform waren. Und die Prüfer «übersahen» auch, dass das Reglement in Art. 2 Abs 2 sagt, dass auch Umgehungsgeschäfte – wie das Vorschieben der Ehefrau – verboten sind.

    Bankratspräsident Raggenbass ordnete seinerseits eine Prüfung der Banktransaktionen des Präsidenten der SNB durch die Revisionsgesellschaft PWC an. Jetzt drohte echte Gefahr, denn diese Leute würden nicht über ein Reglement schreiben, das sie nie gesehen hatten. Und wie durch ein Wunder tauchte über Nacht das bislang unter Verschluss gehaltene und wahrscheinlich manipulierte Reglement auf (siehe Leiche Nr. 2). Die PWC gab deshalb nach ein paar Tagen Entwarnung: Die Vorgaben des Reglements seien eingehalten worden.

    Ein weiteres Problem: Die PWC stützte sich in ihrem Bericht auf eine «Vollständigkeitserklärung» von Philipp Hildebrand ab. Die Vollständigkeit der überreichten Bankdokumente und Bankenkorrespondenz bestätigte Hildebrand indes nicht und heute wissen wir: Sie waren nicht vollständig. Es fehlte die Notiz von Hildebrands Bankberater, in der zu lesen war, dass Hildebrand spekulieren wollte.

    Nun musste die KPMG, eine andere Revisionsgesellschaft, ran. Denn mittlerweile war auch dem letzten klar geworden, dass noch niemand die Vorgänge wirklich geprüft hatte. Die Untersuchung führte diesmal ein gewisser Daniel Senn.

    Und jetzt wird es wirklich kurios, denn Senn prüfte erstens die umstrittenen Finanzgeschäfte von Hildebrand nicht. Und zweitens die Geschäftskonti von Kashya Hildebrand auch nicht…:

    Als das sogar der notorisch Hildebrand-freundlichen NZZ spanisch vorkam, musste auch Senn nachbessern. Und tat folgendes bei Hildebrands Frau: Alle Devisentransaktionen unter 20’000 Franken plus alle übrigen Finanztransaktionen unter 100’000 Franken prüfte er – nicht. Er prüfte also gewissermassen nur mit aufgesetzter Milchglasbrille – und fand erwartungsgemäss nichts:

    Also wurden möglicherweise verdächtige Transaktionen gar nicht geprüft. Doch wieso ums Himmels willen prüfte Senn das nicht? Liegt es daran, dass Senn im Herbst 2011 ein Konto bei der Bank Sarasin hatte, wie Hildebrand? Und dass er von einem möglichen Kurssprung wusste, wie Hildebrand? Oder dass er einen hübschen Gewinn einfuhr, wenn auch weniger als Hildebrand? Dass er seine Frau ins Spiel brachte, wie Hildebrand, resp. sich nicht mehr so genau an die Details erinnern konnte, wie Hildebrand?

    Jahre später verliert Senn jedenfalls seine Lizenz und wird wegen seines Spekulationsgewinns von Fr. 29’000.– verurteilt:

    Die dritte Leiche im Affäre-Hildebrand-Keller heisst daher: «Gab es noch andere, viel gravierendere Spekulationen in der Familie Hildebrand?»

    Bananenrepublik?

    Für die Schweiz soll also mit dem Vize der BlackRock-«Krake» ein Mann ins OECD-Rennen steigen, der mit seinen Handlungen im Amt privat Gewinne gemacht hat. Das scheint mir von vornherein nicht besonders klug zu sein.

    Und wenn nur eine der Leichen im Keller der Hildebrand-Affäre publik wird, dann heisst es wieder: Was ist die Schweiz nur für eine Bananenrepublik?

  • Devisenspekulant Hildebrand

    Ich finde, jeder hat eine zweite Chance verdient. Auch Devisenspekulant Hildebrand.

    In drei Minuten kann man hier sehen, was zum unrühmlichen Abgang des SNB-Präsidenten führte (nein, es war nicht seine Ex). Und was er tun muss, damit er eine Chance hat, wieder als Ehrenmann zu gelten.

  • 21.9.17 Philipp Hildebrand – „moralisch höchst verwerflich“

    Entscheid des Zürcher Obergerichts

    17_Schweizerzeit_PDF

    von Hermann Lei, Kantonsrat, Frauenfeld

     

    Kehrtwende im Skandal des Jahrzehnts. Die Daten über Spekulationen des Ex-Notenbankers durften öffentlich gemacht werden. Trotzdem werde ich bestraft

     

    Erinnern wir uns: Am 15. August 2011 wechselt der damalige Nationalbankpräsident Philipp Hildebrand eine halbe Million Dollar auf seinem Konto ein. Der Zeitpunkt könnte nicht günstiger sein: Zwei Tage später wird die Nationalbank bekanntgeben, den Markt mit Liquidität zu überschwemmen, was den Dollarpreis explodieren lässt. Hildebrand macht – mitten in der Währungskrise – durch sein Handeln im Amt privat satte Gewinne. Als sein sonst sehr loyaler Bankberater – offenbar erschüttert ob der Vorgänge – damit droht, dies zu deklarieren, versucht Hildebrand die Transaktion seiner Frau anzulasten. Als das auffliegt muss Hildebrand seinen Hut nehmen.

     

    Vielleicht legal, sicher nicht legitim

    Als ich zusammen mit andern, unter anderem Christoph Blocher, diese Insidergeschäfte, die damals angeblich legal, wenn auch nicht legitim waren, publik machte, rollte eine Welle von politisch motivierten Verunglimpfungen über mich. Ein Strafverfahren wurde eröffnet – nicht über den „Täter“ Hildebrand, sondern über diejenigen, welche die Tat ans Licht brachten. Der linksgrüne Einzelrichter des Bezirksgerichts Zürich hatte bei diesem üblen Spiel noch mitgespielt, mich zu einer hohen Geldstrafe verurteilt und mir niedere Motive angedichtet. Deshalb war ich sehr gespannt, als ich am 23. August 2017 vor die Richter des Zürcher Obergerichts trat. Würden auch sie politisch urteilen? Nein, die Richter haben das Urteil des Bezirksgerichts gekippt. Zwar habe ich das Bankgeheimnis verletzt, als ich vor über fünf Jahren Blocher über die Devisenspekulationen auf dem Konto des damaligen Nationalbankprä­sidenten informierte. Denn ich hätte nicht einen Alt-Bundesrat über die Spekulation Hilde­brands ins Bild setzten müssen. Sondern z.B. einen amtierenden Bundesrat.

     

     

    Mit Tränen in den Augen

    Der spätere Gang an die Medien aber sei legal gewesen. Denn alle anderen Wege mit denen man Behörden und Öf­fentlichkeit über „das mutmasslich gra­vierende Fehlverhalten“ hätte informie­ren können waren ausgeschöpft. Das Verhalten von Hildebrand beurteilte das Gericht als „moralisch höchst verwerflich“, „skandalös“ und gar „strafwürdig“. Der Gang an die Presse war deshalb als letzter Ausweg gerechtfertigt, meinte das Gericht, reduzierte die Strafe des linksgrünen Bezirksrichters auf einen Drittel und sprach mir eine Entschädigung von Fr. 39‘000.– für die schlimmen fünfeinhalb Jahre Verfahren zu. Mit Tränen in den Augen hörte ich die sorgfältig begründeten Ausführungen des Oberrichters. Es ist zwar kein voller Erfolg, aber eine Rehabilitation. Glasklar zeigte das Gericht auf den eigentlichen „Schurken“: Spekulant Hildebrand

     

    Es beginnt erst

    Zum ersten Mal in der schweizerischen Rechtsgeschichte hat ein oberes Schweizer Gericht Whistleblowing, also das Aufdecken von Missständen, als gerechtfertigt beurteilt. Damit endet möglicherweise die juristische Aufarbeitung der Affäre Hildebrand. Die politische Aufarbeitung aber beginnt erst.

     

    Hermann Lei

     

     

  • 16.1.17 Artikel über Hermann Lei, Blocher und die Affäre Hildebrand

    16.1.17 Artikel über Hermann Lei, Blocher und die Affäre Hildebrand

     

     

     

    Zur falschen Zeit in der falschen Partei

    Vor fünf Jahren deckte Hermann Lei den Hildebrand-Skandal auf. Während sich der Nationalbank-Chef seinen Rücktritt vergolden liess, hat der Whistleblower sein Engagement teuer bezahlt. Ein Ende des Justiz-Albtraums ist nicht in Sicht.

    Von Alex Baur


    • Alex Baur

    Vielleicht, denkt Hermann Lei bisweilen, vielleicht hätte er doch auf seinen Vater hören müssen: «Finger weg von Missständen, die dich ­direkt nichts angehen!» Hermann Lei senior, in seinen besten Jahren ein weitherum angesehener Regierungsrat des Kantons Thurgau, freisinnig, war ein vorsichtiger Politiker. Sein Fi­lius weniger. Kaum hatte er sich als Anwalt selbständig gemacht, wurde er 2007 für die Volkspartei in den Gemeinderat von Frauenfeld gewählt, wo Lei junior mit seiner Kritik an den «Massen­einbürgerungen» schnell aneckte. Ein Jahr später wechselte er in den Kantonsrat. Auch hier machte er sich ausserhalb seiner Partei mit seinem Engagement gegen die Personenfreizügigkeit und für die Minarett-Initia­tive kaum Freunde. Vielleicht hätte er einfach wegschauen müssen, als Reto T., ein Jugendfreund und vormaliger Klient, am 4. November 2011 bei ihm vorstellig wurde. Hermann Lei wusste nur zu gut, dass der Bankinformatiker ein schwieriger Zeitgenosse war. Wenige Monate zuvor hatte er ihn aus einem komplizierten Strafverfahren ­wegen Stalkings herausge­hauen. Doch Reto T., der vor Lei schon mehrere Anwälte verschlissen hatte, gab sich mit dem Freispruch nicht zufrieden, er wollte Vergeltung und die Strafverfolger einklagen. Lei weigerte sich und kündigte das Mandat.

    Doch was ihm sein Jugendfreund an jenem 4. November präsentierte, war allerhand: Auszüge eines Kontos von Philipp Hildebrand, die darauf hinwiesen, dass der damalige Nationalbank-Chef auch privat eifrig mit Devisen spekulierte. Vor allem eine Transaktion mutete skandalös an: Mitte August 2011 hatte Hildebrand eine halbe Million Dollar gekauft, die er knapp zwei Monate später mit einem Gewinn von mehr als 70 000 Franken wieder abstiess. Es war ein todsicheres Geschäft für einen In­sider. Zwei Tage nach dem Kauf gab die Nationalbank bekannt, den Markt mit Liquidität zu schwemmen, was den Dollarpreis sofort steigen liess. Wenig später band die Notenbank den Franken an einen Euro-Mindestkurs, was den Dollar nochmals in die Höhe trieb.

    Schlagende Beweise

    Die Devisenspekulationen des obersten ­Notenbankers waren Tischgespräch beim ­Kader der Bank Sarasin, dem auch Reto T. angehörte. Der Informatiker hatte die Kontoauszüge heimlich kopiert. Bereits zuvor hatte er sich als eifriger Kritiker von Hildebrands Währungspolitik hervorgetan. Zusammen mit Lei, der sich in der Materie nur rudimentär auskannte, hatte Reto T. in der Schweizerzeit bissige Kommentare zur Währungspolitik verfasst. Und nun legte der Bankinformatiker seinem ­Jugendfreund triumphierend den schlagenden Beweis gegen Hildebrand auf den Tisch.

    Anwalt Lei war sofort klar, dass Reto T. das Bankgeheimnis verletzt und sich damit strafbar gemacht hatte. Dass er sich selber einen jahrelangen ruinösen Prozess aufhalsen würde, ahnte er damals noch nicht. «Wenn der Tresor geknackt ist», so sagte er sich, «dann ist er geknackt.» Die Frage war vielmehr, wie man den Skandal auffliegen lassen konnte, ohne dass ­Reto T. Schaden nahm. Der E-Mail-Verkehr zwischen den beiden zeugt von Unentschlossenheit. Mal wollte der eine in die Offensive, mal der andere. Viele Fragen bleiben unbeantwortet. Wer überwacht eigentlich den Chef der Nationalbank? Wem kann man trauen? Wird Hildebrand ge­deckt? Gibt es einen Schutz für Whistleblower? Sollte man anonym an die Presse gehen? Schliess­­lich einigte man sich darauf, den vormaligen Bundesrat und damals frischgewählten SVP-­Nationalrat Christoph Blocher ins Vertrauen zu ziehen.

    Es war nicht so einfach, einen Termin beim vielbeschäftigten Unternehmer zu kriegen, der die beiden schliesslich am 3. Dezember 2011 bei sich zu Hause in Herrliberg empfängt. Anhand der Kontoauszüge erklärt Reto T. die luschen Dollar-Geschäfte von Hildebrand. Der promovierte Jurist Blocher rät dringend von einem Gang an die Medien ab, verspricht aber, abzuklären, was sich auf juristischer und politischer Ebene machen lässt. Nach dem Treffen übergibt Reto T. die Bankauszüge Hermann Lei zur Aufbewahrung; der Informatiker erklärt ihm, wie man Kopien anfertigt, die keine Rückschlüsse auf die Herkunft zulassen. Bis zu diesem Punkt decken sich die Aussagen ­aller Beteiligter. Was folgt, lässt sich aufgrund der Gerichtsakten relativ sauber belegen:

    – 5. Dezember: Am Rande der Session informiert Blocher die damalige Bundespräsidentin Micheline Calmy-Rey (SP) über den mutmasslichen Insiderhandel von Hildebrand.

    – 6. Dezember: Reto T. fordert Hildebrands Bankauszüge zurück. Lei behält die verfremdeten Kopien zurück, was er dem wankelmütigen Informatiker verschweigt.

    – 13. Dezember: Nach einem zweiten Treffen mit Blocher, an dem auch die Chefs des Bundesamtes für Justiz und des Nachrichtendienstes zugegen sind, bildet Calmy-Rey mit ihren Ratskolleginnen Eveline Widmer-Schlumpf (Finanzen, BDP) und Simonetta Sommaruga (Justiz, SP) einen Ausschuss, der sich der diffizilen Affäre annimmt.

    – 15. Dezember: Auf Verlangen von Calmy-Rey und in deren Anwesenheit zeigt Blocher einem Spezialisten der Bundeskriminalpo­li­zei unter dem Siegel höchster Vertraulichkeit die Kopien von Hildebrands Kontoauszügen, die ihm Lei zugestellt hat und die er darauf vernichtet. Blocher schützt seine Quellen, weist aber darauf hin, dass er diese nur mit Mühe vom Gang an die Presse abhalten konnte. Calmy-Rey konfrontiert Hildebrand in der Folge mit den Vorwürfen. Dieser erklärt sich bereit, seine Privatkonten offenzulegen.

    – 16. Dezember: Nach einem juristischen Ge­rangel um die Kompetenzen beauftragt Hans­ueli Raggenbass, Präsident des SNB-­Bankrats, die Firma Price Waterhouse Coopers mit einer Untersuchung der fragwürdigen ­Devisengeschäfte.

    – 21. Dezember: Die bundesrätliche Dreierkommission kommt zum Schluss, dass Hildebrand weder straf- noch aufsichtsrechtlich gegen geltende Regeln verstossen hat. Vor allem Widmer-Schlumpf wittert eine Intrige ihres Erzfeindes Blocher und drängt auf eine «proaktive» Informationspolitik. Obwohl sie Blocher Vertraulichkeit zugesichert hat, informiert Calmy-Rey den Chef der Nationalbank über die Herkunft der Informationen.

    – 23. Dezember: Um 17 Uhr veröffentlicht der SNB-Bankrat eine Pressemitteilung mit dem ­Titel «Gerüchte gegen den Präsidenten des Direktoriums erwiesen sich als haltlos». Vermeintlich heikle Devisengeschäfte, heisst es dort, würden lediglich die Ehefrau von Hildebrand betreffen. Die meisten Journalisten haben sich längst in die Festtage verabschiedet, allein der Blick versieht das nebulöse Communiqué mit ­einer süffigen Schlagzeile: «Stolpert Hildebrand über seine schöne Frau?» Als Reto T. die Nachricht liest, ruft er Lei an. Beide glauben, dass der Skandal unter den Teppich gekehrt wurde, sie beraten über den Gang an die Medien.

    – 24. Dezember: Reto T. trifft den Zürcher Kantonsrat Claudio Schmid (SVP), den er privat kennt und den er bereits zuvor auf den Fall angesprochen hat. Schmid arrangiert ein klandestines Treffen zwischen dem vermummten Reto T. und zwei Blick-Journalisten auf einem Parkplatz, das jedoch ergebnislos endet, weil der Sarasin-Informatiker keine konkreten Informationen preisgeben will. In den folgenden Tagen kommt es zu mehreren Treffen zwischen Reto T. und Lei. Der Informatiker kann sich wieder einmal nicht entscheiden; mal will er an die Medien gelangen, dann schreckt er wieder davor zurück.

    –31. Dezember: Auf Rat von Blocher meldet sich Hermann Lei über die Hauptnummer bei der Weltwoche. Da die Redaktion am Silvester nicht besetzt ist, verweist die Sekretärin den unbekannten Anrufer nach Bern an den Bundeshausredaktor Urs Paul Engeler, der die Hintergründe der Hildebrand-Affäre recherchierte. Engeler verlangt Belege für Leis Geschichte.

    – 1. Januar 2012: Die Sonntagszeitung und die NZZ am Sonntag berichten simultan über die «Neuauflage von Blochers Kampagne gegen Hildebrand». Beide Sonntagsblätter, offenkundig instrumentalisiert von Hildebrands staatlich finanzierten PR-Beratern, diskreditieren die Affäre als haltlose Polit-Intrige der SVP. Die NZZ setzt die Ente in die Welt, wonach die fraglichen Konten Hildebrands Ehefrau Kashya gehörten, auch die Sonntagszeitung spekuliert ungeniert und faktenfrei: «Bizarre Gerüchte wurden gezielt gestreut.» Gemäss NZZ «übergab» Blocher dem Bundesrat Bankdokumente, gemäss Sonntagszeitung ging der SVP-­Politiker mit den Kontoauszügen von Hildebrand sogar regelrecht «hausieren» und knallte der Bundespräsidentin «einen Stapel Unterlagen auf den Tisch».

    Die Falschmeldungen versetzen den Informatiker Reto T. in Panik. Am gleichen Morgen erscheint er um 7 Uhr bei der Kantonspolizei Zürich. Zum einen meldet er seinen Verdacht auf «private Insidergeschäfte» des Nationalbank-Chefs, gleichzeitig will er sich absichern und bringt erstmals den Namen von Hermann Lei ins Spiel, den er als seinen Anwalt bezeichnet. Aus seiner Sicht hat ihn sein Jugendfreund verraten. Wenige Stunden später bricht Reto T. zusammen, die folgenden Wochen verbringt er in einer psychiatrischen Klinik.

    – 5. Januar: Die Weltwoche publiziert die Konto­auszüge von Philipp Hildebrand, die Hermann Lei (ohne das Einverständnis von Reto T.) zur Veröffentlichung freigegeben hat. Gleichentags schiebt Nationalbank-Chef Hildebrand an einer Pressekonferenz die Verantwortung für die Dollar-Geschäfte auf seine Frau ab: Sie habe für seine Konten stets eine Vollmacht gehabt und «ohne mein Wissen mit E-Mail an unseren Kundenberater» die Transaktionen in Auftrag gegeben. Bankrats-Präsident Raggenbass outet Hermann Lei bei dieser Gelegenheit mit vollem Namen. Wie diese geheime Information aus dem laufenden Verfahren der Staatsanwaltschaft Zürich zu Raggenbass gelangte, wurde nie geklärt.

    – 6. Januar: Sarasin-Kundenberater Felix Scheuber leitet seinen E-Mail-Verkehr mit Hildebrand an den Prüfungsausschuss der Nationalbank weiter. Die Unterlagen zeigen, dass Hildebrand sehr wohl über die Dollar-Transaktionen informiert war, die er zuvor an seine Frau delegiert hatte. Das Gremium kommt zum Schluss, dass Hildebrand als oberster Währungshüter der Schweiz damit nicht mehr tragbar sei, und empfiehlt seinen Rücktritt. ­Eine halbe Stunde vor ihrem Auftritt in der SRF-«Arena» zur Affäre Hildebrand wird die frisch gekürte Bundespräsidentin Eveline Widmer-Schlumpf über den E-Mail-Verkehr informiert, der alles auf den Kopf stellt. Widmer-Schlumpf hält trotzdem an Hildebrand fest und fordert ein hartes Vorgehen gegen die Urheber der Bankgeheimnisverletzung.

    – 7. Januar: Der Bankrat fordert einstimmig den Rücktritt von Philipp Hildebrand. Erfolglos sucht Widmer-Schlumpf im Bundesrat ­Rückendeckung für ihren Schützling, der zwei Tage später seinen sofortigen Rücktritt bekanntgibt. Im Gegenzug erhält er noch während eines Jahres den vollen Lohn von insgesamt 995 000 Franken.

    «I saich i d Hose»

    Exakt fünf Jahre sind vergangen seit jenen hektischen Neujahrsereignissen, welche die Nation noch wochenlang in Atem hielten und in zwei unversöhnliche Lager spalteten. Das Kalkül von Hildebrands PR-Beratern ging auf. Nach dem Rücktritt des Notenbank-Chefs verlagerte sich der Fokus endgültig auf Christoph Blocher und dessen Antagonistin Eveline Widmer-Schlumpf. Hermann Lei, der Überbringer der schlechten Nachricht, geriet damit zwischen die Fronten. In einem zweistündigen ­Interview versuchte er sich dem TV-Magazin «10 vor 10»

    zu erklären. Doch das Einzige, was die Fernsehmacher ausstrahlten, war ein unbedachter Spruch («I saich i d Hose»), den er am Rande des Gesprächs anlässlich der überraschenden Meldung von Hildebrands Rücktritt fallenliess. Das blieb hängen.

    Dass Lei die verfremdeten Kontoauszüge ohne das explizite Einverständnis von Reto T. zuerst Christoph Blocher und später der Weltwoche übergeben hat, mag unschön anmuten. Doch im Grunde tat er dasselbe, was Reto T. vor ihm schon getan hatte: Er gab unerlaubt ein Geheimnis preis, um ein Unrecht aufzudecken. Was hätte er sonst tun sollen? Hätte er sich nicht zum Komplizen des Unrechts gemacht, wenn er weggeschaut hätte? Immerhin war abgemacht, dass Blocher die Kontoaus­züge der Bundespräsidentin bloss zeigen und danach vernichten sollte. Blocher hielt sein Wort, es war Calmy-Rey, die ihr Versprechen brach.

    Nach dem bundesrätlichen Persilschein für Hildebrand mit dem nebulösen Dementi angeblicher «Gerüchte» kurz vor Weihnachten und erst recht nach der PR-Kampagne der vereinten Sonntagspresse gab es ohnehin kein Bankgeheimnis mehr zu schützen. Lei hatte jetzt allen Grund, die Unterlagen publik zu machen. Der weitere Verlauf sollte ihm recht geben. Ohne den Eklat, den der Bericht der Weltwoche auslöste, wäre der entlarvende Mail-Verkehr zwischen Hildebrand und dem Sarasin-Berater kaum je publik geworden.

    Als die Zürcher Staatsanwaltschaft am 13. Januar 2012 nach einer Hausdurchsuchung Hermann Lei erstmals befragte, legte er die Fakten auf den Tisch. Aufgrund des E-Mail-Verkehrs, der Telefondaten und der Aussagen aller Beteiligten liess sich der äusserliche Ablauf relativ schnell und sauber klären. Doch während der Bundesrat und seine Experten gerade mal fünf Tage brauchten, um Hildebrand von Schuld und Strafe reinzuwaschen, ist im Strafverfahren gegen den Whistleblower Lei selbst nach fünf Jahren noch kein Ende in Sicht.

    Das Verfahren gegen Lei und Reto T. ist das vielleicht traurigste Kapitel in dieser Geschichte. Unter der Regie des zwischenzeitlich pen­sionierten Oberstaatsanwaltes Andreas Brunner liessen die Strafverfolger fast nichts unversucht, um den Fall Hildebrand in einen Fall Blocher umzubiegen. Die Verteidigungsstrategie von Reto T., der die Initiative auf Lei abschieben wollte, kam ihnen dabei zupass. Die Tatsache, dass sowohl Christoph Blocher wie auch der Weltwoche-Chef Roger Köppel bereits im Frühling 2011 die Währungspolitik von Philipp Hildebrand hart kritisiert hatten, lud zu einer Verschwörungstheorie geradezu ein. Doch die Chronologie der Ereignisse zeigt in aller Deutlichkeit, dass es Reto T. war, der die Initiative ergriff. Dass er sich zusammen mit Lei an Blocher wandte, war naheliegend.

    Trotzdem veranstaltete die Zürcher Staatsanwaltschaft III am 20. März 2012 vor laufenden TV-Kameras eine Hausdurchsuchung bei Christoph Blocher. Dieser wehrte sich juristisch bis vor Bundesgericht gegen die «Fishing Expedition» in seiner Privatsphäre. Das führte zwar zu einer Verzögerung des Verfahrens, doch das war nicht Blochers Schuld. Denn im wesentlichen Punkt bekam er recht: Artikel 264 der Strafprozessordnung, der journalistischen Quellenschutz garantiert, gilt auch im Verkehr mit SVP-Politikern.

    Im Dezember 2015 stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren gegen Blocher ein und entschädigte ihn mit 132 281 Franken. Doch die Ermittler rächten sich auf ihre Weise: Sie «vergassen» einfach, eine CD aus den Akten zu entfernen, welche die Telefonkontakte von Christoph Blocher mit Journalisten aufzeigte, die gemäss Bundesgericht tabu waren. Für das Verfahren erwiesen sich diese Telefonate als ­irrelevant. Doch die Daten fanden den Weg zum Tages-Anzeiger, der daraus eine süffige Story machte («Standleitung von Herrliberg zur Weltwoche»). Tatsächlich hatten Engeler und Köppel über die Festtage 2011, zur Hauptsache aber nach Neujahr, Blocher mehrmals kontaktiert. Die beiden Journalisten hatten schlicht und ergreifend ihren Job gemacht und recherchiert. In Tat und Wahrheit entlasten die illegal erhobenen Daten Blocher sogar, zeigen sie doch, dass es vorher kaum Kontakte gab.

    Beim Schutz der Privatsphäre von Philipp Hildebrand nahm es die Zürcher Staatsanwaltschaft derweil sehr genau. Wegen Gehilfenschaft und versuchter Verleitung zur Verletzung des Bankgeheimnisses (durch Reto T.) belegte sie Hermann Lei im September 2013 per Strafbefehl mit einer bedingten Geld­strafe. Lei erhob Einsprache. Zwar bestreitet er seinen Tatbeitrag nicht, er beansprucht bloss den gesetzlichen Schutz des Whistleblowers, der einen Missstand ohne Eigennutz aufdeckt.

    Rache der Justiz

    Die Justiz rächte sich auf ihre Weise: Sie liess den Fall einfach zweieinhalb Jahre lang liegen. Im letzten März bestätigte das Bezirksgericht ­Zürich das Verdikt. Den Einwand des Whistle­blowings schmetterte das Gericht mit der Begründung ab, Lei hätte sich nicht an Blocher, sondern direkt an die Aufsichtsbehörde der ­Nationalbank wenden müssen. Seither harrt der Fall am Obergericht seiner Erledigung.

    Die Perfidie solcher Strafprozesse liegt in ­ihrer Dauer. Ob das Bundesgericht Hermann Lei in ein paar Jahren vielleicht freisprechen oder ihm irgendeine bedingte Geldstrafe aufbrummen wird, ist Nebensache. Das Verfahren an sich ist die Strafe. Hermann Lei hat ausgerechnet, dass ihn der Prozess bislang rund eine Viertelmillion Franken gekostet hat, die eigene Arbeitszeit miteingerechnet. Für einen, der bloss das Richtige tun wollte, ist das doch eine Stange Geld. Vielleicht hatte sein Vater doch recht. Vielleicht sollte er sich das nächste Mal, wenn ihm fremdes Unrecht zugetragen wird, die drei Äfflein zum Vorbild nehmen: nichts sehen, nichts hören, nichts sagen.

    Quelle: Weltwoche 1/2017, mit freundlicher Genehmigung des Autors

  • 7.2.23 Muss Alain Berset ins Gefängnis?

    Die Schweizerzeit klärt auf

     

    230127-Brisant-HL Berset

    von Hermann Lei, Kantonsrat, Frauenfeld

     

    Das Departement Berset hat den Blick industriell mit Indiskretionen versorgt. Was bedeutet das und ist das strafbar? Wir geben die Antworten.

     

    Insiderdelikt: Weil Ex-Nationalbankpräsident Hildebrand auf Grund der damaligen Rechtslage nicht wegen seines Insiderhandels verurteilt werden konnte, wurden die Insiderstrafnormen verschärft. Neu gilt, dass jeder Täter sein kann. Dank Insiderinformationen aus dem Umfeld des Bundesrates («Impfstoff-Deal» und «Lonza-Deal») hätte man eventuell reich werden können. Lauener wie auch Berset könnten auf Grund ihrer Tätigkeit als Insider gelten. Vermutlich aber fehlt es aber am Vorsatz, denn mit den Indiskretionen wollten sie nicht am Markt Vermögensvorteile verschaffen. Es wird indes gemunkelt, das halbe BAG habe sich mit Titeln eingedeckt. Diese Leute könnten bestraft werden, sofern es sich um kursrelevante Informationen gehandelt hätte.

     

    Amtsmissbrauch: Nach Art. 312 StGB machen sich Mitglieder einer Behörde strafbar, die ihre Amtsgewalt missbrauchen, um sich oder einem anderen einen unrechtsmässigen Vorteil zu verschaffen. Es geht z.B. um eine Bewilligungserteilung oder Bewilligungsverweigerung. Auf den ersten Blick scheint bei Berset kein Amtsmissbrauch vorzuliegen und auch weitere Amtsdelikte kommen kaum in Frage. Hier ist Berset also safe.

     

    Amtsgeheimnis: Nach Artikel 320 StGB wird bestraft, wer ein Geheimnis offenbart, das ihm in seiner  Eigenschaft als Beamter anvertraut worden ist. Dieses Delikt scheint Lauener relativ klar mehrfach verletzt zu haben. Strafbar könnte sich auch Bundesrat Berset gemacht haben, ausser er habe tatsächlich nichts gewusst, was kaum denkbar scheint. Dass Amtsgeheimnisverletzungen angeblich häufig seien spielt keine Rolle.

     

    Bestechung: Wer einem Mitglied einer Behörde (z.B. Berset) im Zusammenhang mit dessen amtlicher Tätigkeit für eine im Ermessen stehende Handlung oder Unterlassung zu dessen Gunsten einen nicht gebührenden Vorteil anbietet, verspricht oder gewährt, macht sich strafbar. Vorteile können auch immaterieller Art sein (gute Presse, Unterstützung). Der Blick könnte sich hier strafbar gemacht haben, auch Berset könnten den Tatbestand des sich bestechen lassen erfüllt haben.

     

    Aussageverweigerung:  Bersets Mann Lauener hat in seiner Einvernahme konsequent die Aussage verweigert. Dies darf er als Beschuldigter ohne negative Konsequenzen tun. Berset als Auskunftsperson darf das nicht, ausser er würde sich mit einer Aussage selbst belasten. Davon hat er Gebrauch gemacht, so sagte er wörtlich: «Ich mache keine Aussage, ich bin hier in einer ungemütlichen Situation.» Bersets Aussageverweigerung spricht Bände. Berset war im Gegensatz zu Lauener in der Einvernahme sehr unvorbereitet, typisch für einen Mann der glaubt, sich alles erlauben zu können.

     

    Leaks der Einvernahmeprotokolle: Wie die Einvernahmeprotokolle von Lauener und Berset an die Presse gelangten ist zurzeit unklar. Über die Protokolle verfügen die Sonderermittler, der Beschuldigte Lauener und die Auskunftsperson Berset. Alle drei haben kein Interesse, diese Protokolle herauszugeben und scheiden damit als Täter eher aus. Das Leck könnte bei der Aufsichtsbehörde der Bundesanwaltschaft (AB-BA) zu finden sein.

     

    Strafanzeige gegen Sonderermittler: Gegen Bundesbeamte ermittelt nicht ein kantonaler Staatsanwalt, sondern die Bundesanwaltschaft. Dessen Sonderermittler Marti liess Lauener festnehmen und beantragte Untersuchungshaft. Der Verhaftete zeigte Marti deswegen an, eine typische Verhaltensweise von Verbrechern (womit nicht gesagt ist, dass Lauener einer sei).

     

    Bersets Immunität: Bundesräte geniessen strafrechtliche Immunität. Will der Sonderermittler dennoch gegen Berset ermitteln, so müsste die Immunität von zwei Parlamentskommissionen aufgehoben werden. Wenn sie der Meinung sind, das Interesse an der ungehinderten Ausübung des Bundesratsmandates überwiege das Interesse an der Strafverfolgung heben sie Bersets Immunität nicht auf. Auch wenn klar wäre, dass er Straftaten begangen hat.

     

    Impeachment: In der Schweiz gibt es kaum Möglichkeiten für die Amtsenthebung. 22 Kantone und der Bunde kennen das Impeachment nicht. Die Mitglieder des Bundesrates können also ihres Amtes nicht enthoben werden, selbst wenn sie gegen das Gesetz verstossen. Die oben erwähnten Immunitätskommissionen können aber eine vorläufige Einstellung im Amt beantragen. Folgt die Bundesversammlung diesem Antrag, wäre Berset bis zum Abschluss des Strafverfahrens von seinem Amt suspendiert.

     

    Hermann Lei

  • 28.1.22 Ringier –  Megafon des Staates:  Unter Systemjournalisten

    28.1.22 Ringier – Megafon des Staates: Unter Systemjournalisten

    Mit staatshörigen, tendenziösen Journalisten kenne ich mich aus. Beim Blick werden die offenbar gezüchtet.

    220128 SZ Lei Systemjournalisten

    In einem «Brisant» der Schweizerzeit hatte ich zum «fröhlichen Gebührenstreik» aufgerufen. Dies, weil ich das Gefühl habe, dass – wie Leuthard versprach – unser Staatsfernsehen nicht «unabhängige Orientierung» liefert. Und weil ich mich darüber ärgerte, dass der Serafe-Betrag von Fr. 365.– erhöht werden soll. Ich rief deshalb zum «Streik, die Waffe des Wutbürgers» auf. Man solle verlangen, dass man die Gebühr bar bezahlen dürfe.

    Der zuckersüsse Blick-Reporter
    Daraufhin rief mich Rudolf Studer vom Blick an. Zuckersüss sagte er mir, er habe meinen interessanten Artikel gelesen, er habe noch ein paar Fragen. Bereitwillig gab ich ihm Antwort, der Mann war wirklich nett. Ich dachte, er sei ernsthaft dran interessiert, die Unstimmigkeiten bei Serafe zu thematisieren. Es folgten einige Mails, in denen mich Studer vertraulich mit «Lieber Herr Lei» anschrieb und sich mit «Lieben Grüssen» verabschiedete («LG Studer»).

    Blick-Fäkalsprache
    Ich freute mich auf den Sukkurs des Blick. Doch der nahm natürlich reflexhaft Position für den Staat. In einem pöbelnden, mit Fäkalsprache betitelten Artikel zog Systemjournalist Studer über uns «SRG-Gegner» her, diese hätten ihre Niederlage offenbar noch nicht verdaut. Mein Gebührenstreik sei «eh ein Schuss in den Ofen», polemisierte der Blick-Journalist, der wohl darauf hofft, bald selber beim Staat unterzukommen. Es ist nicht das erste Mal, dass ich negative Erfahrungen mit einem Blick-Journalisten machte.

    «Erdrutsch-Sieg für Hillary Clinton?»
    Ähnlich tendenziös schrieb Blick-Systemjournalist Hossli (heute bei der NZZ) in der Affäre Hildebrand. Und als «US-Wahl-Experte» wurde er nicht müde, die unvermeidliche Niederlage des Anti-Establishment- Kandidaten Trump zu verkünden. Selbst als die unbeliebte Hillary Clinton kurz vor ihrer Niederlage stand, sah Hossli ihren Einzug ins Weisse Haus als völlig sicher an: «Relax! Die Wahl der ersten Frau ins Weisse Haus ist nicht gefährdet» titelte er unverdrossen.

    Erdrutsch-Sieg-Hossli stellt sich mittlerweile etwas anders dar. Am 1. Oktober 2018 schrieb er im Blick: «Ich (…) wusste, dass Trump gewinnen wird.»

    Beim Blick und anderen Medien gibt es einen Befehl, nur noch staatsabhängigen Systemjournalismus zu machen. Geplagt und gejagt werden die «Kleinen», die Staatskritischen, die Zwangsgebührenzahler. Devot hofiert werden hingegen die Mächtigen, das Establishment, der Staat. Am 13. Februar haben wir die Gelegenheit, mit einem Nein zum «Massnahmenpaket zugunsten der Medien» diesem Systemjournalismus einen Denkzettel zu verpassen.
    Hermann Lei

  • 23.12.2020 Die Sexfotos von Alain Berset

    23.12.2020 Die Sexfotos von Alain Berset

    201221 SZ Lei Berset

    von Hermann Lei, Kantonsrat, Frauenfeld

     

    Heute erzählen wir, wir Bersets Erpressungs-Geschichte abgelaufen wäre, wenn der Bundesrat Parmelin geheissen hätte. Und nicht bei der SP wäre.

     

    Vor den Sexfotos zuerst die Fakten: Eine Frau forderte Ende 2019 von Bundesrat Berset 100’000 Franken, ansonsten  würde sie Fotos und Mails öffentlich machen. Nach dreiwöchigen Verhandlungen zeigte der Bundesrat die Frau an. Keine 24 Stunden später führte die Bundeskriminalpolizei eine Hausdurchsuchung durch und verhörte die Frau während Stunden. Der Fall wurde mit einem Strafbefehl unter Ausschluss der Öffentlichkeit abgehandelt, ihre Kommunikationsgeräte wurden bis auf die Werkseinstellung gelöscht. Leitmedien und Staatsfernsehen unterbanden eine ausführliche Berichterstattung über den Fall.

     

    Parmelins Geliebte im Blick

    Wie wäre nun der Fall abgelaufen, wenn nicht der selbstverliebte SRG- und Blick-Liebling Berset, sondern z.B. Bundesrat Parmelin mit einer jungen Winzerin eine Affäre gehabt hätte? Hätte Parmelin Strafanzeige bei der Bundesanwaltschaft eingereicht, so hätte diese mit Sicherheit nicht am nächsten Tag die «Geliebte» in Haft gesetzt. Sie hätte sich im Gegenteil Zeit gelassen und nach ein paar Tagen erklärt, Haft und eine Hausdurchsuchung seien schwere Grundrechtseingriffe und in diesem Falle nicht zu rechtfertigen. Heimlich wären stattdessen ein erstes Mal die Medien informiert worden (wie bei Blocher in der Affäre Hildebrand). Und Parmelin hätte sich über die Blick-Schlagzeile «Parmelin wollte Geliebte verhaften lassen» freuen können.

     

    Kein Schutz vor Enthüllungen

    Die Bundesanwaltschaft hätte den SVP-Bundesrat wohl auch nicht mit dem Strafbefehlsverfahren vor Enthüllungen geschützt. Die Behörden hätten vielmehr erklärt, ein Strafbefehl sei für Massen- und Bagatelldelikte angezeigt, sicher aber nicht hier: Strafverhandlungen müssten grundsätzlich öffentlich durchgeführt werden. Bundesrat Parmelin habe auch «kein besonderes Bedürfnis auf Schutz der Persönlichkeit und der Privatsphäre». Das wäre auch richtig, denn Personen des öffentlichen Lebens müssen sich mehr Eingriffe in ihr Privatleben gefallen lassen als andere. Ausser man heisst Berset. Und die ganze Schweiz hätte sich gefragt, was mit den 25’000.– war, die sein Bundesamt 2018 seiner Geliebten in Form eines Preises zukommen liess.

     

    Keine totale Datenlöschung

    Schliesslich hätte die Bundesanwaltschaft auch ziemlich sicher nicht durch Spezialisten die Handys, PCs und Datenträger der Dame säubern lassen. Denn anders als beim protegierten Berset hätten sie gesagt: wenn an das Sache nichts dran ist, dann muss auch nichts gelöscht werden. Und falls doch, dann wird nur das gelöscht, was verfänglich ist. Denn genauso wie nicht das gesamte Haus leergeräumt wird, weil in der Garage ein gestohlenes Fahrrad steht, darf man auch nicht die gesamten Daten einer Beschuldigten löschen. Auch nicht wenn man Bundesrat ist und sich vor weiteren Enthüllungen fürchtet.

     

    Einsatz der Staatskomiker

    Die Medien hätten über die Gerichtsverhandlung mit Parmelin und seiner Geliebten live berichtet. Sie hätten die Erpresserin interviewt und sie als Opfer portraitiert, das von der Staatsmacht gefügig gemacht worden sei. Die Staatskomiker wie Giaccobo und Konsorten hätten sich über den Bundesrat lächerlich gemacht und das Schweizer Farbfernsehen hätte  – statt wie bei Berset sich gegen die Veröffentlichung von Fakten energisch zu wehren – Diskussionssendungen zum Thema «Ist ein erpresster Bundesrat tragbar?» ausgestrahlt. Linke Staatsrechtler und Politologen hätten ihre Stirn in Falten gelegt. Parmelin hätte zurücktreten müssen.

     

    Und die Sexfotos?

    Einzig Sexfotos wären weder von Berset noch von Parmelin (wir haben natürlich keine solchen, wie Sie längst geahnt haben) veröffentlicht werden. Denn auch ein Bundesrat hat das Recht auf eine Privatsphäre. Zumindest wenn er Berset heisst.

     

    Hermann Lei

  • 18.9.2020 SOS Systemschnüffler

    18.9.2020 SOS Systemschnüffler

    200910 SZ Lei SOS Schnüffler

    Journalisten im Dienste des Systems

     

    von Hermann Lei, Kantonsrat, Frauenfeld

     

    Früher würden «Systemfeinde» vom Staatschutz beobachtet und fichiert. Heute erledigen das unsere Journalisten. Mediale Exekution inklusive.

     

    Vielleicht erinnern Sie sich; vor fast 10 Jahren wurde ich schlagartig bekannt, weil ich öffentlich gemacht hatte, dass sich der Nationalbankpräsident durch seine Handlungen im Amt privat bereichert hatte.

    Monatelang verfolgt

    Hildebrands Handeln hätte – wie das Zürcher Obergericht letztinstanzlich feststellte – ein «moralisch höchst verwerfliches Handeln» und damit ein «skandalöses Verhalten» dargestellt und ich bin seither der erste Mensch, der in der Schweiz gerichtlich mit dem Prädikat «Whistleblower» einen Freispruch erhielt. Nach dem Rücktritt des Spekulanten wurde ich dennoch monatelang von linken Journalisten verfolgt und durchleuchtet. Sie riefen praktisch jede Person an, mit der ich schon jemals zu tun gehabt hatte und versuchten aus diesen etwas Nachteiliges herauszuhorchen.

     

    Schnüffeln in den Steuerakten

    Ähnlich geht es zurzeit einem anderen Kantonsrat der SVP, Claudio Schmid, dem Programmchef der SVP-Kantonsratsfraktion. Der streitbare Schmid ist immer dabei, wenn es im Mitte-Links-Filz etwas aufzudecken gibt und ist daher eine Reizfigur für das Establishment. Seit Monaten schon hat Schmid gemerkt, dass ihm ein ausgesprochen linker Journalist – er bewege sich ideologisch im Umfeld der Antifa – nachstellt und Bekannte und Geschäftspartner über ihn ausfragt. Ohne Schmid zu fragen versuchte er auch, vergeblich, beim Steueramt Bülach an vertrauliche Daten über Schmid zu gelangen. Als dies aufflog musste er sich bei Schmid entschuldigen.

    Abbildung 1 Tagi-Journalist muss sich für seine Schnüffelei entschuldigen

     

    Anfangs März stellte er zudem ein Gesuch um Herausgabe eines Beschlusses des Bezirkrats Bülach. Es gehe um einen Vorfall in der Sozial- und Vormundschaftsbehörde Bülach, nämlich um den Vorwurf der Kompetenzüberschreitung. Die Behördenmitglieder, welche über den angeblichen Fall von vor fast 10 Jahren Kenntnis haben, lehnten  indes eine Offenlegung ab.

     

    Amt, Ansehen, Existenz

    Es habe sich um eine behördeninterne Angelegenheit gehandelt, welche aufgearbeitet worden sei. Danach sei die Zusammenarbeit in der sozialen Vormundschaftsbehörde problemlos, konstruktiv und kollegial gewesen. Aus rechtlichen Gründen sei es nicht möglich, der Schnüffelei nachzugeben und das Gesuch wurde abgewiesen. Ob der Journalist doch noch etwas findet, wird sich zeigen. Ziel dieser Schnüffeleien im Dienste des Systems ist immer, die politisch missliebige Person blosszustellen. Im «Idealfall» verliert der Angegriffene durch die Dreckwühlarbeit und die perfide journalistische Zusammenstellung von Halbwahrheiten alles: Amt und Ansehen, Existenz.  Mir ist das nicht passiert, weil ich selbständig bin. Claudio Schmid wird das auch überstehen.

    Nur der Journalist wird wohl demnächst wegrationalisiert. Wenn er nicht vorher eine lukrative Stelle in einer staatlichen PR-Abteilung ergattern kann.

    Hermann Lei

  • 2.5.20 Die Fifa-Mafia und der fünfte Mann

    Die Bundesanwaltschaft – ein Drama ohne Ende  

    von Hermann Lei, Kantonsrat, Frauenfeld

     

    Die Geschichte um Schmiergelder im Dunstkreis der Fifa-Mafia ist ein Debakel für die Schweiz. Der unendliche Justizskandal fügt der Schweizer Justiz grossen Schaden zu.

     

    Die Bundesanwaltschaft gibt es erst seit 1994. Die Behörde verfolgt Straftaten, die gegen das Staatsgebilde oder das  nationale Interesse gerichtet sind. Böse Zungen behaupteten stets, die Kantone hätten von Anfang an nur ihre unfähigsten Staatsanwälte zu dieser Behörde wegbefördert. Auch an den jeweiligen Chefs hatte die Schweiz nicht nur Freude. Nach  «Bulldozer» Carla Del Ponte amtierte Blocherfeind Valentin Roschacher, der im Geldwäscherei-Verfahren gegen Oskar Holenweger rechtswidrig mit einem zwielichtigen Ex-Drogenboss zusammenarbeitete.

     

    Schlau, schwul und schwungvoll

    Nach diesem Fiasko trat Roschacher zurück und übt sich seither in der Malerei. Nachfolger Erwin Beyeler wurden ebenfalls Fehler in der Holenweger-Affäre vorgeworfen und als sein Ermittler sich wegen der Sache selbst ein bizarres Drohfax geschickt hatte, wurde Roschachers Nachfolger nach nur vier Jahren nicht wiedergewählt. Der nächste Skandal war der Versuch, Blocher aus dem Amt putschen. Gemäss Blocher war die Bundesanwaltschaft auch daran beteiligt. Nach dieser fast endlosen Serie von Pleiten Pech und Pannen sollte mit dem smarten Michael Lauber endlich mal ein «normaler» Bundesanwalt gewählt werden. Mike, wie er sich auch nennt, war denn auch das Gegenteil mancher seiner Vorgänger: schlau, schwul und schwungvoll. Auf linker Seite machte sein unkonventionelles Privatleben Eindruck. Bei den Liechtensteinischen Banken, in deren Umfeld er sich vorher bewegt hatte, hatte er zudem wohl auch einiges gelernt.

     

    Fifa-Paten werden verhaftet  

    Seine Stunde schlägt, als die US-Justiz am frühen Morgen im Frühling 2015 im Hotel Baur au Lac sechs ranghohe Fifa-Funktionäre verhaften lässt. Die New York Times ist dabei und filmt mit. Robert Louis-Dreyfus, als Ehegatte der Vorgänger des geschassten Nationalbankpräsidenten Hildebrand, habe, so schrieb der Spiegel, die Vergabe der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 nach Deutschland «mutmaßlich gekauft». «Fifa-Mafia» nennen einige das skrupellose weltweite mafiöse Netzwerk, das sich rund um den Weltfussball etabliert hat. Und die Schweiz steckt mittendrin, Lauber tritt ein paar Monate später mit US-Justizministerin Loretta Lynch in Zürich vor die Presse: Es stünden 121 Bankkonten im Visier der Schweizer Ermittlungen, dazu Liegenschaften in den Alpen, die der Geldwäscherei gedient haben könnten. Doch Lauber macht alles falsch: Er trifft sich ausgerechnet mit dem Fifa-Präsidenten Gianni Infantino, dreimal, informell. Zwei Mal in einem Luxushotel, das den Kataris gehört, welche 2022 die nächste Fussball-WM austragen werden, Tür an Tür mit der Botschaft der Scheichs. Infantino lässt sich zu diesem Treffen in einem Privatjet des Emirs von Katar einfliegen. Pikant: Auch Katar steht im Verdacht, die Fifa geschmiert zu haben. Worum es bei den Gesprächen mit Verfahrensbeteiligten ging ist nicht zu erfahren, denn die Meetings wurden rechtswidrig nicht protokolliert. Dafür dürften die beschuldigten Kataris heimlich mitgehört haben.

     

    Belohnung fürs Nicht-kriminell-werden

    Das dritte Treffen ist noch mysteriöser: keiner der vier Teilnehmer mag sich daran erinnern. Oder waren es fünf Teilnehmer? Im Schweizerhof jedenfalls wurden fünf «Snacks» gereicht. Das Uefa- Verfahren wird kurz darauf eingestellt, so ein Zufall! Als die unglaublichen Vorfälle bekannt werden, tritt die Aufsichtsbehörde auf den Plan. Trotz laufender Untersuchung wird Lauber nochmals gewählt. Mit seinem Kommunikationstalent hat er es geschafft, eine knappe Mehrheit im Parlament hinter sich zu scharen.  Aber der Bericht der Aufsichtsbehörde, der etwas später auf dem Tisch liegt, ist verheerend: Bundesanwalt Lauber falle durch Uneinsichtigkeit auf und zeige im Kern ein falsches Berufsverständnis. Die Summe seiner Pflichtverletzungen sei erheblich. Lauber wird für ein Jahr der Lohn um 8% gekürzt, was bei einem Jahreslohn um Fr. 300’000.-verkraftbar scheint. Dass es nicht mehr wurde, hat er dem Umstand zu verdanken, dass er sich nicht auch noch habe schmieren lassen. Dass ein Top-Beamter dafür belohnt wird, dass er nicht auch noch kriminell wurde, ist eine bittere Pointe. Die Bundesanwaltschaft jedenfalls hat durch diese Querelen viel Zeit verloren. Der «Sommermärchen»-Prozess, der seit Herbst 2015 die Fussballwelt beschäftigt, hätte am unbedingt am vor Ende April 2020 am Bundesstrafgericht in Bellinzona stattfinden sollen.

     

    Sommermärchen verjährt

    Denn der für die Schweiz extrem teure und wichtige Fall würde Ende April verjähren – was dank Corona und dem auch nicht besonders schnellen Bundesstrafgericht der Fall war. Aber auch ohne Virus wäre es für die Anwälte aufgrund der schlampigen Arbeit der Bundesanwaltschaft ein Leichtes gewesen, ihre Beschuldigten in die Verjährung zu retten. Heisst: Das kriminelle Sommermärchen wird nie aufgeklärt werden. Die Beschuldigten gelten als freigesprochen und der Steuerzahler zahlt ihnen die sündhaft hohen Anwaltskosten und wohl auch Genugtuung. — Sind wenigstens die weiteren noch  über 20 hängigen Fifa-Verfahren zu retten? Vermutlich auch nicht. Denn hier kommt wieder der ominöse fünfte Mann beim dritten Treffen im Berner Nobelrestaurant der Scheichs ins Spiel. Ist er der Grund, warum sich niemand mehr an dieses dritte Treffen im Hinterzimmer neben der Botschaft der auch unter Schmiergeldverdacht stehenden Kataris erinnern will? Wer hat den fünften Snack gegessen? Gar ein an den vielen Fussball-Strafverfahren beteiligtes Mitglied der Bundesanwaltschaft?

     

    Der Ballon platzt

    Wäre die Bundesanwaltschaft tatsächlich so einfältig gewesen, ihren Fifa-Ermittler zum ominösen Fifa-Plausch ins wohl verwanzte Katari-Restaurant mitzunehmen, so würden auch die weiteren etwa 20 noch hängigen Fifa-Verfahren platzen wie ein Ballon. Die Ermittlungen wären wegen Befangenheit ruiniert, erhobene Beweise unrettbar kontaminiert und nicht mehr verwertbar. Wegen Kungelei mit der Privatklägerin Fifa im Restaurant der unter Verdacht stehenden Kataris. Auch im Verfahren wegen Korruption um den brasilianischen Rohstoffkonzern Petrobras führte Lauber Gespräche, die nicht in den Akten aufgeführt sind, möglicherweise auch in dem Verfahren bez. des malaysischen Staatsfonds 1MDB. Und als wäre das alles nicht genug, so hat sich Lauber nun einen Anwalt genommen; ausgerechnet den Anwalt des angeschuldigten Fifa-Funktionärs Blatter und der zu untersuchenden Petrobas…

     

    Zu Redaktionsschluss war der vierte Bundesanwalt der Geschichte Lauber immer noch im Amt, aber lange wird er sich nicht mehr halten können. Zum Schaden der Schweiz, welche einmal mehr gezeigt hätte, dass sie manchmal nicht viel von einer Bananenrepublik unterscheidet, wie deutsche und französische Medien hämisch schreiben.

     

    Hermann Lei

  • 16.8.18 Der Gehilfe

    16.8.18 Der Gehilfe

    18_15_Schweizerzeit_PDF Daniel Senn

    Hildebrand-Reinwascher erstinstanzlich wegen Insiderhandels verurteilt

    von Hermann Lei, Kantonsrat, Frauenfeld

     

    Wenn es heikel wurde war Daniel Senn, der Revisor der Mächtigen, zur Stelle. Er lieferte, was man von ihm verlangte.

     

    Wer ist Revisor Daniel Senn? 2003 untersucht der KPMG-Partner im Namen der Bankenaufsicht Oskar Holenweger und seine Zürcher Tempus-Bank, bei dem sich seine Vorwürfe vor Gericht aber in Luft auflösen. 2010­ untersucht er im Auftrag der Valiant-Bank auffällige Transaktionen der ­eigenen Bankspitzen. Nach nur zwei Wochen stellt er der Bank – zu unrecht – einen Persilschein aus. Senn ist der Revisor der Nation, der Gehilfe der Mächtigen –  dass er keine weisse Weste hat wissen nur wenige.

    Schlüsselrolle in der Affäre Hildebrand

    Auch in der Affäre um den spekulierenden SNB-Präsidenten Hildebrand spielt Senn eine zwielichtige Rolle. Nach einem unbrauchbaren Gefälligkeitsgutachten von PwC gibt der Bankrat bei der Konkurrentin KPMG eine neue Untersuchung in Auftrag. Daniel Senn heisst der Mann, der prüfen soll, aber nicht prüft: Ausgerechnet Hildebrands umstrittene Finanzgeschäfte zwischen Frühling und Herbst 2011 klammert er aus. Und auch die Geschäftskonten von Hildebrands Ehefrau werden nicht überprüft. Darauf habe man aus „Zeitgründen einstweilen verzichtet“, ist die sonderbare Antwort von Senn. Dabei waren die Bewegungen auf dem Konto von Philipp Hildebrand  die eigentlichen Auslöser der Krise.

    Senn wäscht weisser

    Nach der Parlamentsdebatte vom März 2012, bei der unter anderem Christoph Mörgeli sich mächtig ins Zeug legt, muss Senn nachbessern. Doch Senn macht weiter wie bis anhin: bei den Privat- und Geschäftskonti von Frau Hildebrand bleiben sämtliche Devisentransaktionen bis 20’000.- Franken und alle übrigen Transkationen bis 100’000.- Franken unüberprüft. Heute können wir vermuten, weshalb Senn alles tat, um Hildebrand reinzuwaschen: Denn im Herbst 2011 hat Senn ein Konto bei der Bank Sarasin, wie Hildebrand.

    Insider spricht Insider frei

    Und als  Insider weiss er von einem möglichen Kurssprung – wie Hildebrand – und kann es nicht lassen, noch schnell einen hübschen Gewinn einzufahren, wie Hildebrand. Später bringt er seine Frau ins Spiel, wie Hildebrand, resp. kann sich nicht mehr so genau an die Details erinnern, wie Hildebrand. Und wie bei Hildebrand kommen die Insidergeschäfte auch bei Senn aus, allerdings erst Jahre später.

    Der Fall des Revisors

    Denn im Hintergrund tut sich einiges: Die Revisionsaufsichtsbehörde zeigt Senn an. Senn verliert seine Zulassung. Die Bundesanwaltschaft ermittelt und erhebt Mitte 2018 Anklage. Im heissen Sommer 2018 steht Senn vor dem Bundesstrafgericht von Bellinzona und versucht seine Haut zu retten. Der grosse, übergewichtige einstmalige Chefprüfer der Nation ist klein geworden. Seinen Beruf darf er nicht mehr ausüben, er wird in Millionenhöhe betrieben, eine Steuererklärung hat er seit 2014 nicht mehr eingereicht und seine Frau nennt er «Noch»-Ehefrau, als wären sie demnächst geschieden – eine weitere Parallele zu Hildebrand.

    Der Lack ist ab

    Doch trotzig weist er alle Schuld von sich, fantasiert wieder wie Hildebrand von einer SVP-Verschwörung. Und wie Hildebrands Frau damals wird auch Senn pathetisch und beruft sich auf Gott. Aber was Hildebrand damals noch half hilft Senn heute nicht mehr, der Lack ist ab. Das Bundesstrafgericht verurteilt Daniel Senn erstinstanzlich zu einer bedingten Geldstrafe von 160 Tagessätzen zu 430 Franken und zu einer Busse von 5000 Franken.

    Klar ist nun: Insider Senn (strafrechtlich erstinstanzlich verurteilt) hat Insider Hildebrand (keine Strafuntersuchung) freigesprochen. Langsam bricht zusammen was schief war.

    Hermann Lei